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ÖWGP Forschungsagenda
Die Produktion wird zunehmend interdisziplinär und dadurch ein Aktionsfeld mit vielen herausfordernden Themen. Hat man vor etwa 20 Jahren noch von einem möglichen Wandel von der Produktions- zur Dienstleistungsgesellschaft gesprochen, zeigt sich heute ein gänzlich anderes Bild. Österreich ist und bleibt ein attraktiver Produktionsstandort, gerade durch eine „smarte“ Verschränkung der Disziplinen „Production and Services.“
Die aktuellen Forschungsergebnisse führen dazu, dass Produktentwicklung, Produktionssystementwicklung, Produktion und Produktnutzung mit den entsprechenden Modellen und IT-Werkzeugen in Zukunft zusammenrücken und mehr und mehr verschmelzen. Durch Methoden der Virtuellen Produktentwicklung steigt das Potenzial für das so genannte „Frontloading“. Es ermöglicht die kontinuierliche Verifikation und Validierung der gerade aktuellen Lösungen (Konzepte, Prototypen) auf Basis einer einheitlichen Modellierung und Informationsverarbeitung. Damit kann eine größere Vielfalt von Lösungen und Varianten erarbeitet, optimiert und bewertet werden.

Technologische Entwicklungen, Erfindungen, Produkte und deren Produktion sind untrennbar mit der Erforschung neuer Werkstoffe verbunden. Neue Produkte und Produktionstechnologien erfordern nicht nur neue, optimierte Werkstoffe, sondern auch die Entwicklung neuer Verarbeitungs- und Bearbeitungswerkzeuge und maßgeschneiderte Materialien für derartige Werkzeuge. Entscheidend ist dabei auch die Fokussierung auf Nachhaltigkeit, Umweltverträglichkeit und Recycling der neu entwickelten Werkstoffe und der dafür notwendigen Produktionstechnologien. Von Aktivitäten im Bereich „Neue Werkstoffe“ für Industrie 4.0 profitiert der gesamte Wirtschaftssektor Österreichs.

Die Voraussetzung für ein wettbewerbsfähiges Produkt ist das ausgewogene Zusammenspiel zwischen dem Werkstoff, dem Design und der Produktionstechnologie. Die künftigen Herausforderungen liegen in leistungsfähigen Produktionsprozessen, also der Produktion von Losgröße 1 ebenso wie der Massenproduktion von komplexen Teilen und Baugruppen mittels kontinuierlicher und diskontinuierlicher Verfahren. So können mit hochautomatisierten Prozessen ökonomisch wettbewerbsfähige Qualitätsprodukte hergestellt werden. Des Weiteren müssen optimierte Produktionsverfahren für das Verarbeiten von neu entwickelten Materialien entwickelt werden. Notwendige Technologien dafür sind beispielsweise Modellierung und Simulation, neue Technologien im Maschinenbau, optimierte Sensoren und Aktuatoren, die Vernetzung der Produktionseinheiten, intelligente Wartungssysteme und eine optimierte Prozessregelung.

Im Maschinenbau ist das Gebot der Stunde, die Komplexität von vernetzten Fertigungssystemen (Cyber Physical Production Systems) zu beherrschen. Die Smart Factory als zentraler Baustein von Industrie 4.0 muss in der Lage sein, effizient und wenig störanfällig den Trend zu geringen Losgrößen und individualisierten Produkten zu managen. Wesentlicher Bestandteil einer Smart Factory ist Smart Logistics, die durch neuartige Transportsysteme zur flexiblen Verkettung der Maschinen gekennzeichnet ist. Zentrale Handlungsfelder im Produktions-Maschinenbau sind Anlagen zur Additiven Fertigung und mit dem Menschen kollaborierende Robotersysteme.

Während sich die technischen Möglichkeiten von Produktionssystemen, quasi die „Hardware“, in vielen Jahrzehnten weitgehend kontinuierlich weiterentwickelt haben, entstehen die dazugehörigen Betriebs- und Managementkonzepte, diskret, schubweise und selten gekoppelt zur Hardware. Mit der Industrie 4.0 Initiative wurde ein neuer Anlauf genommen, die großen Potenziale des CIM (Computer Integrated Manufacturing) in Verbindung mit vernetzten Produktionssystemen und neuen digitalen Herstellungsverfahren zu heben. Dabei wird gegenwärtig das Hauptaugenmerk auf die „Hardware“ gelegt, wobei der Erfolg von „Industrie 4.0“ hauptsächlich von intelligenten, wirtschaftlich sinnvollen Betriebs- und Managementkonzepten abhängt. Solche Konzepte müssen Aspekte des modellbasierten Entwurfs, der Verifikation, Optimierung und Umsetzungsplanung berücksichtigen.

Die Integration von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) - sog. Cyber-Physische Systeme (CPS) - in Produktionssysteme im Kontext von Industrie 4.0 führt zu der Entstehung von Cyber-Physischen-Produktionssystemen (CPPS) im Sinne einer intelligenten Fabrik (Smart Factory). Zur Realisierung langfristig stabiler und wirtschaftlich vorteilhafter Industrie 4.0-Produktionsprozesse stehen die Untersuchung und die zielgerichtete Gestaltung der Wirkzusammenhänge zwischen Mensch, Technik und Organisation im Fokus. Es gilt die Frage wissenschaftlich zu diskutieren und zu beantworten, welche Rolle der Mensch in den Arbeitssystemen der Zukunft spielen wird.

Die Globalisierung von Wertschöpfungsketten, die Individualisierung von Kundenanforderungen und die Digitalisierung von Produktion und Märkten haben zu einer Diversifizierung der Produktportfolios bis hin zur Losgröße Eins geführt und damit die Komplexität und die Geschwindigkeit traditioneller Entwicklungs- und Produktionsprozesse bis an die Grenzen des Machbaren gesteigert. Verantwortliche in den Unternehmen sind in zunehmendem Maß auf intelligente digitale Unterstützungssysteme angewiesen, die beispielsweise im Arbeitskontext benötigte Informationen automatisch bereitstellen oder Routine-Entscheidungen selbständig treffen und nur in Ausnahmefällen Expertinnen und Experten zur intellektuellen Beurteilung vorlegen. „Artifical Intelligence“ ist nicht nur Modewort, die künstliche Intelligenz ist zur Schlüsseldisziplin auch in der Produktionswissenschaft geworden.

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